Gleich­takt­span­nung

Poten­ti­al­un­ter­schie­de feststellen

Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stö­run­gen durch Poten­ti­al­un­ter­schie­de in CAN-Anla­gen wer­den bis­her unter­schätzt und blei­ben so meist unentdeckt.

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Feld­bus­se bestim­men heu­te in hohem Maße die Leis­tungs­fä­hig­keit kom­ple­xer Fer­ti­gungs­sys­te­me in nahe­zu allen Indus­trie­zwei­gen. Die gesam­te elek­tro­ni­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on erfolgt inner­halb der kom­ple­xen Sys­te­me, so dass an die siche­re Funk­ti­on der Feld­bus­se höchs­te Anfor­de­run­gen gestellt wer­den. Mess­ge­rä­te zur Bus­ana­ly­se von der Instal­la­ti­on bis zur dau­er­haf­ten Zustands­über­wa­chung zur früh­zei­ti­gen Feh­ler­er­ken­nung sind mitt­ler­wei­le unab­ding­bar gewor­den. Aller­dings blie­ben den Gerä­ten bis­her Stö­run­gen der Daten­kom­mu­ni­ka­ti­on, die auf einen unge­nü­gen­den Poten­ti­al­aus­gleich zurück­zu­füh­ren sind, ver­bor­gen. Bis vor eini­gen Jah­ren ist man von rein sys­tem­in­ter­nen Pro­ble­men aus­ge­gan­gen. Heu­te wis­sen wir, dass äuße­re Ein­flüs­se durch EMV-Stö­run­gen oder auch ein unge­nü­gen­der Poten­ti­al­aus­gleich zuneh­mend die Ursa­chen für eine gestör­te Kom­mu­ni­ka­ti­on sind. Im Zusam­men­spiel mit ver­al­te­ten oder nicht ent­spre­chend aus­ge­leg­ten Rah­men­be­din­gun­gen (z.B. Erdung und Poten­ti­al­aus­gleich) bie­tet sich den Stör­quel­len eine immer grö­ße­re Angriffs­flä­che. So neh­men etwa hoch­fre­quen­te Strö­me oft­mals den Schirm unse­rer Daten­lei­tung als Rück­strom­pfad, obwohl der Poten­ti­al­aus­gleich extra dafür vor­ge­se­hen ist. Das führt zu ent­spre­chend feh­ler­haf­ter Kom­mu­ni­ka­ti­on bzw. sogar zu Anla­gen­aus­fäl­len. Die­ses Wis­sen hat sich der Markt­füh­rer für CAN Dia­gno­se­ge­rä­te GEMAC zu Nut­zen gemacht. Das neu­es­te Dia­gno­se­ge­rät CAN­touch erkennt zusätz­lich zu den eta­blier­ten Mes­sun­gen zur Bus­phy­sik jetzt auch sol­che Fehlerquellen.

Yes, we CAN-Bus Diagnose

Das Feld­bus­sys­tem CAN arbei­tet mit einem Dif­fe­renz­si­gnal, um die Ein­strah­lung von Stör­si­gna­len zu kom­pen­sie­ren. Das heißt, das eigent­li­che Nutz­si­gnal wird über zwei Lei­tun­gen inver­tiert zuein­an­der über­tra­gen (CAN_​H und CAN_​L). Die Dif­fe­renz zwi­schen die­sen bei­den Lei­tun­gen bil­det das Signal, wel­ches von jedem CAN-Bus Trans­cei­ver emp­fan­gen wird. Stö­run­gen auf dem Bus kön­nen die kor­rek­te Erken­nung des Bit­stroms gefähr­den. Die Dia­gno­se­ge­rä­te der Fir­ma GEMAC ermög­li­chen die Bewer­tung des Dif­fe­renz­si­gnals in Form eines all­ge­mei­nen Qua­li­täts­wer­tes, des Stör­span­nungs­ab­stan­des und der Flankensteilheit.

Das neu­es­te Mit­glied der Gerä­te­fa­mi­lie, das CAN­touch, ermög­licht dar­über hin­aus auch die abso­lu­te Mes­sung der ein­zel­nen Signa­le CAN_​H und CAN_​L gegen­über einem Bezugs­po­ten­ti­al, um einen in der Pra­xis häu­fig anzu­tref­fen­den Feh­ler in der Anla­gen­in­stal­la­ti­on auf­zu­de­cken – die soge­nann­te Gleich­takt­span­nung. In einem dif­fe­ren­zi­ell arbei­ten­den Über­tra­gungs­sys­tem wie CAN ver­steht man unter der Gleich­takt­span­nung (Com­mon Mode Vol­ta­ge) die Span­nung, die bei­de Signa­le in Rela­ti­on zu einem gemein­sa­men Bezugs­po­ten­ti­al auf­wei­sen. Dies ist im all­ge­mei­nen CAN_​GND, wel­ches in jedem Gerät mit CAN_V- ver­bun­den ist. Bei CAN soll­ten bei­de Signal­lei­tun­gen (CAN_​H und CAN_​L) im rezes­si­ven Zustand eine Gleich­takt­span­nung von 2,5 V auf­wei­sen. Durch ver­schie­de­ne Ursa­chen, die noch erklärt wer­den, kann die Gleich­takt­span­nung der Bau­grup­pen zuein­an­der ver­setzt sein. Die­sen Span­nungs­ver­satz kann das CAN­touch direkt ermit­teln – er ist aber auch indi­rekt über die Mes­sung der Schirm­span­nung zu erken­nen – aber dazu gleich mehr.

In der Pra­xis sind zwei typi­sche Ver­ka­be­lungs­ar­ten anzu­tref­fen, die bei­de zu einem Poten­ti­al­un­ter­schied zwi­schen den Bau­grup­pen füh­ren kön­nen. Beim ers­ten Sys­tem wer­den alle Bus­teil­neh­mer über das CAN-Kabel ver­sorgt, im zwei­ten Fall besitzt jede Bau­grup­pe ihre eige­ne Stromversorgung.

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Betrach­ten wir dazu als ers­tes den Fall, bei dem die Ver­sor­gung aller Bau­grup­pen über das vier­ad­ri­ge CAN-Kabel erfolgt (Abb. 1: Ver­ka­be­lungs­art 1: Ver­sor­gung aller Bus­teil­neh­mer über CAN-Kabel). Im Kabel wer­den zwei Lei­tun­gen für die CAN Kom­mu­ni­ka­ti­on und die ande­ren bei­den für die Span­nungs­ver­sor­gung genutzt. Nach erfolg­ter Ver­ka­be­lung hat der Schirm erst ein­mal kei­ne nie­der­oh­mi­ge Ver­bin­dung zu einem bestimm­ten Poten­ti­al, da in jeder Bau­grup­pe der Schirm übli­cher­wei­se nur über eine Par­al­lel­schal­tung von einem Wider­stand (1 MΩ) und einem Kon­den­sa­tor (10 nF) mit V- ver­bun­den ist. Zur nie­der­oh­mi­gen Ver­bin­dung soll­te der Schirm an der zen­tra­len Span­nungs­ein­spei­sung mit V- und mit Schutz­er­de ver­bun­den wer­den. Das hat fol­gen­den Effekt:

Durch die Strom­auf­nah­me der ein­zel­nen CAN-Bau­grup­pen kommt es auf­grund des Lei­tungs­wi­der­stan­des nun zu einem Span­nungs­ab­fall (∆U) in den Ver­sor­gungs­lei­tun­gen. Dadurch erhöht sich das Span­nungs­ni­veau von CAN_V- an jeder CAN-Bau­grup­pe und führt zu einem nega­ti­ven Span­nungs­ver­satz der gegen CAN_V- gemes­se­nen Schirm­span­nung. Die­se „nor­ma­le“ Schirm­span­nung soll­te sich im Bereich von ca. 0 bis ‑4 V bewe­gen. Grö­ße­re Schirm­span­nun­gen oder ein nicht mit CAN_V- ver­bun­de­ner Schirm wer­den vom CAN­touch als Feh­ler gemeldet.

CommonModeVoltage---DNun kommt es durch den Span­nungs­ab­fall im Kabel auch zu einem unter­schied­li­chen GND-Poten­ti­al der CAN-Trans­cei­ver. Das führt zu einer Ver­schie­bung der Pegel der Signal­span­nun­gen, die jeder CAN-Trancei­ver für sich „sieht“. Die­se Ver­schie­bung ist bei CAN nur im Bereich von ‑2…+7 V zuläs­sig. Die CAN-Trans­cei­ver erwar­ten, dass sich die Signal­span­nun­gen inner­halb die­ses Berei­ches bewe­gen. Auch wenn neue­re Schalt­krei­se einen grö­ße­ren Bereich von ‑7…+12 V tole­rie­ren, kann eine Über­schrei­tung zu Kom­mu­ni­ka­ti­ons­feh­lern und im Extrem­fall letzt­lich auch zur Zer­stö­rung des Trancei­vers füh­ren (Abb. 3: Ent­ste­hung von Kom­mu­ni­ka­ti­ons­feh­lern bei Poten­ti­al­un­ter­schie­den). Das CAN­touch erfasst des­halb den maxi­ma­len Span­nungs­ver­satz aller Bus­teil­neh­mer zuein­an­der – die so genann­te „Abso­lu­te maxi­ma­le Gleich­takt­span­nung“ – und warnt bei Über­schrei­tung der Grenz­wer­te (Abb. 4: Mes­sung der “Abso­lu­ten maxi­ma­len Gleich­takt­span­nung” im CAN­touch mit Smi­leys als Bewer­tungs­hil­fe). Zusätz­lich erfolgt eine gra­phi­sche Visua­li­sie­rung, ob sich der Span­nungs­ver­satz ober­halb oder unter­halb der eige­nen Auf­steck­po­si­ti­on befin­det. Alle abso­lu­ten Mes­sun­gen erfol­gen dabei rela­tiv zu V- im D‑Sub 9 Steck­ver­bin­der (Pin 6). Das CAN­touch bie­tet sogar wahl­wei­se die Mög­lich­keit, die Refe­renz­mas­se auf eine ein­ge­bau­te 4 mm Buch­se umzu­schal­ten. Das ermög­licht, die ein­zel­nen Mas­se­po­ten­tia­le der CAN-Bau­grup­pen ohne Umste­cken des Test­ge­rä­tes anzu­tas­ten und damit Poten­ti­al­un­ter­schie­de schnel­ler auf­zu­spü­ren. Ein ver­ein­fach­tes Bewer­tungs­ver­fah­ren nach dem Ampel­prin­zip und mit Hil­fe von Smi­leys unter­stützt den Nut­zer bei der schnel­len Bewer­tung der Messergebnisse.

Vor­sicht Falle!

Man soll­te jetzt nicht dem Irr­glau­ben ver­fal­len, an allen Bau­grup­pen den Schirm mit CAN_V- ver­bin­den zu wol­len, denn dann fließt der Betriebs­strom der Bau­grup­pen über den gegen­über CAN_V- nie­der­oh­mi­ge­ren Schirm zurück. Eine Ein­kopp­lung von Stör­span­nun­gen in die Signal­lei­tun­gen ist dann vorprogrammiert.

Als Abhil­fe kann die Span­nungs­ein­spei­sung in der Mit­te des Kabel­stran­ges oder eine Ein­spei­sung mit meh­re­ren Strom­ver­sor­gun­gen vor­ge­nom­men wer­den. Auch eine Ver­wen­dung von CAN-Kabeln mit gerin­ge­rem Schlei­fen­wi­der­stand für CAN_​V+ und CAN_V- ist eine Mög­lich­keit. Der Ver­drah­tungs­test des CAN­touch kann die Schlei­fen­wi­der­stän­de des ver­wen­de­ten Kabels messen.

Auf das rich­ti­ge Kabel kommt es an

Dass die Norm­gren­zen in der Pra­xis rela­tiv schnell erreicht wer­den, demons­triert fol­gen­des Beispiel:

Um inner­halb der nach ISO 11898 – 2 defi­nier­ten Grenz­wer­te von ‑2…+7 V zu blei­ben, ist ein Poten­ti­al­un­ter­schied von maxi­mal ±4,5 V sym­me­trisch bezo­gen auf 2,5 V (2,5 V – 4,5 V = ‑2 V und 2,5 V + 4,5 V = +7 V) zuläs­sig. Bei einem typi­schen CAN-Kabel mit einem Quer­schnitt von 0,22 mm2, einem Lei­tungs­wi­der­stand von 186 Ω/​km und einer ange­nom­me­nen Gesamt­strom­auf­nah­me von 100 mA für alle Bau­grup­pen wird der zuläs­si­ge Poten­ti­al­un­ter­schied schon nach ca. 240 m Lei­tungs­län­ge erreicht, bei 1 A Strom­auf­nah­me schon nach 24 m. Eine Ver­bes­se­rung kann hier durch CAN-Kabel mit grö­ße­rem Quer­schnitt erreicht wer­den. Bei einem Quer­schnitt von 0,34 mm2 sinkt der Schlei­fen­wi­der­stand auf 115 Ω/​km, bei 0,50 mm2 auf 78 Ω/​km und bei 0,75 mm2 auf nied­ri­ge 52 Ω/​km.

Fal­scher Rettungsschirm

Bei aus­ge­dehn­ten Anla­gen­in­stal­la­tio­nen trifft man dage­gen häu­fig auf eine Ver­ka­be­lung, bei der die ein­zel­nen Bus­teil­neh­mer mit einer eige­nen Span­nungs­ver­sor­gung aus­ge­stat­tet sind (Abb.2: Ver­sor­gung der Bus­teil­neh­mer über eige­ne Strom­ver­sor­gung. Meist wird dabei ein zwei­ad­ri­ges CAN-Kabel verwendet.

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Auch hier kann es zu Poten­ti­al­un­ter­schie­den kom­men, wenn die Bau­grup­pen nicht mit­tels eines Poten­ti­al­aus­glei­ches mit­ein­an­der ver­bun­den sind. In der Pra­xis sieht man dann häu­fig, dass der Schirm als Poten­ti­al­aus­gleich zweck­ent­frem­det wird. Der über den Schirm flie­ßen­de Aus­gleichs­strom zieht Stö­run­gen in der CAN Kom­mu­ni­ka­ti­on nach sich und ver­bie­tet sich aus die­sem Grund von selbst.

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Das CAN­touch ist in der Lage sol­che Ver­drah­tungs­pro­ble­me durch die nun mög­li­che Mes­sung der Schirm­span­nung und Gleich­takt­span­nung aufzuspüren.

CAN­touch this…

Das Hand­held CAN­touch ist die indus­trie­taug­li­che Ant­wort auf Smart­phones. Erst­ma­lig kön­nen Anla­gen­be­trei­ber, Tech­ni­ker und Ent­wick­ler die phy­si­ka­li­sche und logi­sche Bus­ana­ly­se über ein intui­ti­ves Touch­screen durch­füh­ren. Es ist schnell und mobil ein­satz­fä­hig ohne zusätz­li­chen PC. Ange­lehnt an Smart­phones geht der Nut­zer mit dem CAN­touch direkt an sei­ne CAN-Anla­ge, schließt es mit einem Kabel an und erhält schnell zuver­läs­si­ge Mess­ergeb­nis­se, ohne die Anla­ge anzu­hal­ten. Das spart nicht nur Zeit, son­dern im Fal­le einer früh­zei­ti­gen Feh­ler­war­nung und ‑behe­bung auch Geld. Die ein­zel­nen Mess­funk­tio­nen wer­den über Apps (Appli­ka­tio­nen) inter­ak­tiv und dyna­misch durch Fin­ger­ges­ten bedient. Ein ver­ein­fach­tes Bewer­tungs­ver­fah­ren nach dem Ampel­prin­zip und mit Hil­fe von Smi­leys unter­stützt den Nut­zer bei der schnel­len Bewer­tung der Mess­ergeb­nis­se. Das 4,3 Zoll Farb­dis­play lässt dabei viel Spiel­raum für eine anspre­chen­de gra­fi­sche Dar­stel­lung. (Abb. 5: Hand­held CAN­touch für die Feh­ler­dia­gno­se in der Busphysik)

Autoren: Hen­drik Ste­pha­ni (Ent­wick­ler Feld­bus­dia­gno­se), Ant­je Wapp­ler (Mar­ke­ting)

Hendrik Stephani

Hen­drik Stephani

Feld­bus­dia­gno­se Chefentwickler

Hen­drik Ste­pha­ni arbei­tet seit 20 Jah­ren an der Ent­wick­lung von leis­tungs­fä­hi­gen Werk­zeu­gen zur Feldbusdiagnose.